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Jüdisches Leben in Börger

Berichte aus der Jahresschrift "Use Borger" 2011 des Heimatvereins Börger und Hermann Ubbenjans, bilden den Beweis ehemals jüdischen Lebens im Ort. Erfahren Sie hier mehr über das Leben der Familie Jacobs in Börger oder über unseren Besuch der Jacobs-Nachkommen in Israel.

Reise durch Israel und Besuch bei Yitro (Jethro) Jacobs in der Negev-Wüste

Einleitung Heimatverein Börger

Ende der 1700er Jahre etablierte sich auf dem Hümmling eine Gruppe jüdischer Viehhändler und Kaufleute. Zu ihnen gehörten u. a. die Familien Grünberg, Weinberg, Meyer, Rosenberg, de Vries, Frank und auch die Familie des Pferdehändlers und Schlächters Joseph Jacobs genannt Fiebelmann, der aus Haselünne zuzog (Ahnherr Fiebelmann stammt aus Haltern).

Die deutschen Familien jüdischen Glaubens wohnten in Sögel, Lathen und einzelne in Wahn, Werlte, Lorup und Börger. Kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes im Jahre 1854, kauften die Enkel des o. g. Josef Jacobs, David und Aaron, Häuser in Börger und gründeten hier Familien. Erik genannt Meyer Jacobs ist der zweitälteste Sohn der Familie David Jacobs und seiner Ehefrau Friederike geb. Frank in Börger Sie stammt aus Lathen, (Ahn Simon stammt aus Berge / OS).

Reise nach Nordisrael und in die Negev-Wüste

Wir starteten am 27. Sept. 2010. Nach Ankunft auf dem Flughafen in Petah Tikwa bei Tel Aviv fuhren wir erst nach Norden bis zu den Benediktinern in Tabgha am See Genezareth (Tiberias-See), von dort nach einen Aufenthalt in Nazareth über Afula bis hinunter in die Negev-Wüste. Dort im Kibbuz Alumim wollten wir unseren Bekannten Yitro Jacobs treffen.

Sein Großvater Meier Jacobs aus Börger hatte mit seiner Frau Emma geb. Weinberg aus Bigge-Siedlingshausen, im Sauerländischen Nuttlar ein Geschäft eröffnet. Yitros Vater Erich Jacobs, war am orthodoxen Lehrerseminar (JAWNE) in Köln ausgebildet worden und hatte eine Anstellung in Recklinghausen, als Yitro 1939 hier geboren wurde. Die Familie verließ in der NS-Zeit erst sehr spät am 08. September 1941 Deutschland. Über Barcelona, Lissabon und Havanna erreichte die junge Familie Washington/USA erst im Frühjahr 1946.

Wir fanden am Busbahnhof, der in Nazareth noch immer an der Hauptdurchgangsstraße liegt, einen Bus bis Afula. Der Busfahrer hatte uns schon sehr freundlich darauf aufmerksam gemacht, dass von dort ein Bus direkt bis Beer Scheva fahre, den wir auch ohne viel Zeitverzögerung fanden. So waren wir schon am Mittag in Beer Scheva, konnten nach Yitros Auskunft den Bus bis zum Kibbuz Sa’ad nehmen, wo er uns abholte.

  • Sarah und Yitro in ihrem Haus in Alumim

  • In der Negev-Wüste wurde 1966 Alumim gegründet. „Ellen Meyer und Gertrud Althoff haben zwei erfahrungsreiche Tage in Alumim erleben dürfen“.

  • Reste von Kassam Raketen, die auf den Kibbuz Alumim geschossen wurden, unter einer Palme

Am ersten Tag in Alumim nahmen wir an der Überführung einer gespendeten Tora-Rolle in die Synagoge teil.

Ein Kind war mit 6 Jahren gestorben, und sein Großvater, ein Toraschreiber, aber jetzt schon alt, hatte zur Ehre des Kindes diese Tora geschrieben. Dafür braucht man mindestens ein Jahr. Die Prozession ging vom Elternhaus des verstorbenen Kindes aus. In der Synagoge gab es eine kleine Feier. Alles war sehr ungezwungen und unkompliziert, wie ich von Orthodoxen gar nicht erwartet hatte.

Zum Beispiel tummelte sich ein Pulk von kleinen Mädchen auf der Bima (auf der die Tora ausgerollt wird) mitten im Raum, was niemanden störte. Die Frauenempore wurde nur genutzt, weil man von dort besser sehen und fotografieren konnte. Später versammelte der Schullehrer die Mädchen vorne unter dem Toraschrein zu einigen Chorliedern, die aber nicht besonders perfekt waren. Abends machte Sarah uns ein einfaches leckeres Essen in ihrem Haus, weil der große Speisesaal zur Feier benutzt wurde.

Yitro erklärte uns, dass von mehr als ca. 220 israelischen Kibbuzim nur 13 religiös orientiert seien. Auch seien die Kibbuzim nicht mehr so gemeinschaftlich/sozialistisch organisiert wie zu Anfang. Es gebe inzwischen sehr viel Privateigentum. Die Kinder würden tagsüber betreut, und waren abends und nachts im Elternhaus.

  • Gemeinschaftliche Prozession

  • Das Bild zeigt uns (Gertrud Althoff und Yitro Jacobs) in der Synagoge in Alumim.

Das Leben im Kibbuz

Am nächsten Tag zeigte Yitro uns „seinen“ Kibbuz mit großer Freude und Genugtuung: Sarahs Schneiderei; die Küche für milchiges und fleischiges Essen mit getrenntem Geschirr und getrennten Spülmaschinen; die Traktoren – Reparaturwerkstatt, die Autowerkstatt, die alle auch von den Kibbuzim aus der Nachbarschaft genutzt wurden; den Kindergarten mit besonderen von der Regierung gebauten Sicherheitsvorkehrungen gegen Raketenbeschuss; die große Halle, in der die Möhren vom Feld gewaschen, sortiert und ein gebeutelt wurden; die Riesenkühlhallen sowohl für Gemüse vom Feld wie auch für die Küche; die Kuhställe für 200 Kühe, die Hühnerfarm für mehrere Zehntausend Hühner…

Yitro war der Älteste im Kibbuz und brauchte noch keine Pflege. Die stellte er sich so vor:  „dass ein alter Mensch eine Wohnung erhielt, in der genügend (also 3 – Räume) waren, dass dort eine angeheuerte Thailänderin oder Philippinin wohnen könnte, die sich um die Alten oder den Alten kümmerte (offenbar Tag und Nacht, weshalb sie im Haus untergebracht werden sollte)“. Warum kam ihm nicht die Idee, dass ein Kibbuz doch (wie für die Kinder) ausgebildete Altenpflegerinnen als Fachkräfte eingesetzt würden?

  • Yitro Jacobs im Kuhstall des Kibbuz Alumim

  • Blick auf Gaza-Stadt und Ashdot. Im Hintergund das Mittelmeer

Yitro mit Sohn und Enkel in Börger

Das Geburtshaus seines Großvaters wollte Yitro Jacobs einmal sehen, nachdem die Lebenserinnerungen seines Vaters Erik Jakobs 2004 im Sauerland veröffentlicht wurde und man immer mehr Kontakte nach Deutschland gewann. Von Köln und dem Sauerland kommend, ging die Reise am 6. Nov. 2011 nach Sögel und Börger.

Hier zeigten sich besonders die Enkel von der Vielzahl der noch vorhandenen Grabstellen der Vorfahren (9 Generationen auf dem jüdischen Friedhof Sögel), begeistert. Tief in die Geschichte tauchten sie auch, als sie das Geburtshaus des Ururgroßvaters fanden.

Nach einem kurzen Gedankenaustausch in Börger, an dem auch Holger Lemmermann Sögel, und Gertrud Althaus Münster, teilnahmen, ging die Reise über Hannover weiter nach Kassel und Markt Fischach um Deutschland und die Gebiete kennenzulernen, wo weitere Vorfahren gelebt haben.

  • Auf dem Bild vor dem Haus Weber in Börger an der Kirchstraße ist mittig die Familie Yitro Jacobs mit Sohn, 2 Enkeln und Enkeltochter zu sehen, rechts daneben Bernhard und Marlene Weber, links auf dem Bild Bernd Gebkenjans, dann Holger Lemmermann und 3. v. li. Hermann Schmitz. Foto: UB